Johanniterschule Münzenberg-Gambach

Schulkultur mit gelebter Vielfalt!

NICHT NUR IN ROM, sondern auch in der römischen Provinz Germanien konnten viele Menschen lesen, schreiben und einfache Rechenaufgaben lösen. Das lernten bereits die Kinder. Allerdings gab es keine Schulen, wie du sie heute kennst. In den römischen Städten oder sehr großen Kastelldörfern diente irgendein Zimmer als Schulraum. Das konnte ein Ladenraum oder ein Platz in einem offenen Säulengang sein. Der Unterricht für Mädchen und Jungen ab 7 Jahren wurde von einem Lehrer, ludi magister genannt, erteilt. Er wurde von den Eltern der Kinder bezahlt. Der Beruf des Lehrers war nicht sehr angesehen und deshalb war der Lohn auch gering. Einen Schulraum gab es in der Nähe unseres Gutshofs natürlich nicht. Da wir lesen, schreiben und rechnen lernen sollten, musste ein Lehrer ins Haus kommen. Meine Eltern bezahlten ihn. Unser Gutshof brachte gute Gewinne, so dass wir uns den Unterricht leisten konnten. Unser Hauslehrer war also damit beschäftigt, meinen Brüdern und mir das Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Ein Studium war dafür nicht notwendig gewesen. Es genügte, dass er alle Fächer beherrschte. 
Der Unterricht fand im Wohnzimmer statt. Meine Brüder nahmen auch daran teil. Da sie nicht immer gehorchten, wurden sie häufig von unserem Lehrer verprügelt. Darüber regte sich niemand auf. Für den Unterricht hatte unser Vater jedem ein Wachstäfelchen und einen spitzen Griffel, einen stilus, aus Metall gekauft. In die weiche Wachsschicht meines Holztäfelchens ritzte ich mit der spitzen Seite des Griffels die Rechenaufgaben und die Buchstaben des ABC.
 

Mit dem anderen Ende des Griffels, der wie ein flacher Spaten aussah, konnte ich die Wachsschicht wieder glatt streichen. Das war sehr praktisch. So konnte ich die eingeritzten Buchstaben und Zahlen wieder auswischen, um etwas anderes zu schreiben oder um die Fehler schnell zu verbessern. Auch Papyrus, den man gut rollen konnte, war im Römischen Reich weit verbreitet. Für den Schulunterricht genügten jedoch zunächst die Wachstäfelchen. 





Manchmal durften wir sogar mit Schreibfedern aus Schilfrohr schreiben. Mit schwarzer oder roter Tinte beschrifteten wir dünne Holzblättchen oder schrieben auf Pergament. Das kam nicht oft vor, denn Pergament wurde aus Tierhäuten gewonnen und war sehr teuer. Die Schreibfedern mussten öfters angespitzt werden, da sie schnell stumpf wurden. Das war der einzige Nachteil. Am besten war es, sich eine ganze Kiste voll Schreibfedern zuzulegen oder sich eine Feder aus Metall schenken zu lassen. Über meine Brüder könnte ich viel berichten. Einmal wagten sie es, auf ihre Tafel zu schreiben: Magister stultus est. – Magister asinus est. Unser Lehrer ist dumm. - Unser Lehrer ist ein Esel. Beim Wegstreichen der Zeilen wurden sie von unserem Magister erwischt. Der ergriff die Täfelchen, las die Sätze und lief vor lauter Wut rot an. Diesmal gab es nicht nur Schläge mit dem Riemen, sondern auch eine lange Schreibaufgabe. Sie mussten mehrfach wiederholen: QUI BENE NON DIDICIT GARRULUS ESSE SOLET. Das heißt übersetzt: Wer nicht gut gelernt hat, bleibt gewöhnlich ein Schwätzer.

Die Schulzeit endete für mich als Mädchen spätestens mit zwölf Jahren. Ich lernte aber nicht nur lesen, schreiben und rechnen, sondern auch den Haus und Hof sauber zu halten, Kranke zu pflegen, Ost zu ernten und haltbar zu machen, Getreide zu mahlen, zu backen und natürlich zu weben. Mit vierzehn oder fünfzehn Jahren wurden die meisten römischen Mädchen verheiratet und verließen ihr Elternhaus. Daran dachte ich aber damals noch nicht.

 

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