„Aber natürlich, warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Das alte Rathaus auf dem Marktplatz muss doch viele Spalten und Ritze haben.“ Ohne lange zu überlegen, flattert Laura auf das alte Gebäude zu. Zwischen zwei Dachziegeln entdeckt sie eine Spalte und huscht hindurch. Diesmal setzt sie ihre Ultraschalllaute gleich ein, um Störenfriede ausfindig zu machen. Aber es ist ruhig und friedlich.
„Ruhe – endlich, endlich kann ich wieder schlafen. Niemand wird mich stören“, denkt Laura und sucht eine Mauerspalte. Auf dem Dachboden findet sich jedoch nicht die kleinste Ritze, in die sie sich verstecken könnte. „Egal“, meint Laura, „dann hänge ich mich eben ausnahmsweise an den höchsten Dachbalken.“ Das macht die kleine Fledermaus auch, schließt gemütlich die Augen und fällt sofort in einen tiefen Schlaf.
Es dauert nicht lange, bis merkwürdige Geräusche Laura in ihren Träumen stören.
Mit ihren feinen Ohren fängt sie ein lautes, unangenehmes Bohren auf. Laura reißt erschreckt die Augen auf. Obwohl sie die Verursacher der Geräusche schlecht sehen kann, weiß sie sofort: Das sind Holzwürmer, fette Holzwürmer. Zehn von dieser Sorte stehen aufrecht vor ihr und schreien mit hoher Fistelstimme: „Hau ab! Verschwinde! Hier hast du nichts zu suchen. Das Rathaus gehört uns. Unsere Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern haben es für uns in Besitz genommen. Das geschah zu einer Zeit, als Rathaus und Marktplatz das Herz der Stadt bildeten. Auf dem Marktplatz fand jede Woche ein Markt statt. Die Menschen tauschten an dieser Stelle auch die neusten Nachrichten aus, weil es noch keine Zeitungen gab. Die wichtigen Entscheidungen wurden hier im Rathaus getroffen. Eine Stadt erkannte man an der Kirche, der Stadtmauer, dem Marktplatz und natürlich an ihrem Rathaus. Aber was quatschen wir eigentlich hier mit dir herum? Mach, dass du wegkommst, oder sollen wir dir Flügel machen?“
Nein, vor diesen kleinen Gesellen hat Laura wirklich keine Angst. „Was könnten die schon ausrichten?“, denkt sie und schließt, ohne eine Antwort zu geben, die Augen.
„Na warte!“, rufen die Holzwürmer aufgeregt und beginnen daumendicke Löcher in den Dachbalken zu bohren. „Wir sägen dir den Balken ab, Däumling!“, ertönt es im Dachstuhl. Das Geräusch ist so leise, dass nur Laura es hören kann. Für ihre empfindlichen Ohren ist es so laut wie bei einem Presslufthammer. „Bald ist der Balken durch!“, jubeln bereits die frechen Gesellen.
„Nein, nein, nur das nicht!“ Laura ergreift die Flucht und flattert hinaus ins Freie. „Das geht doch auf keine Fledermaushaut!“, fiepst Laura verzweifelt. „Nirgendwo gibt es ein Quartier für mich!“