CIBI ET POTIONES Speisen und Getränke wurden selbstverständlich von uns selbst auf unserem Gutshof hergestellt. Unsere Äcker befanden sich in der Nähe unserer villa rustica und brachten reiche Ernte ein, weil das Klima in der Wetterau sehr mild und die Böden sehr fruchtbar waren. Sie eigneten sich hervorragend für den Anbau von Getreide, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten. Auf unseren Feldern wuchsen wichtige Getreidearten wie Dinkel, Weizen und Gerste. Der Dinkel wurde am häufigsten angebaut, da er sehr viel Eiweiß enthielt und sich gut lagern ließ.
Aber auch Rispen-Hirse kam zur Aussaat. Die Gerste war sehr beliebt, da sie sich nicht nur vorzüglich für die Zubereitung von Breispeisen und Eintöpfen eignete, die meistens auf dem Speiseplan standen, sondern auch zum Bierbrauen benötigt wurde.
In den Wäldern, Hecken und Gebüschen sammelten wir Nüsse, Erdbeeren, Hagebutten, Brombeeren, Himbeeren, Schlehen und Schwarzen Holunder. Die Haselnuss, die sehr kalorienarm und lange haltbar war, wurde gerne zwischendurch gegessen. Sie kam aber auch im Eintopf oder als Nachspeise auf den Tisch.
An manchen Tagen fanden wir so viele Haselnüsse, dass unsere Taschen fast aus allen Nähten platzten. Uns Kindern machte das Sammeln großen Spaß. Wir schwärmten in die umliegenden Wälder aus und sammelten dort die Früchte ein, die nichts kosteten und außerordentlich würzig schmeckten. In den Gärten unseres Gutshofs wuchsen Walnuss-, Pflaumen-, Pfirsich-, Apfel- und Kirschbäume, die meine Großeltern aus Italien eingeführt und hier angepflanzt hatten. Das Obst wurde gedörrt und auf diese Weise lagerfähig gemacht. Auch Melonen und Kürbisse konnten im Garten geerntet werden, die es vorher in Germanien nicht gegeben hatte. Oliven wurden bei Händlern gekauft. Wachteln in Spargelsoße war ein Gericht für reiche Römer. Obst wurde als Nachtisch gereicht. Weintrauben gab es allerdings kaum in Ober-Germanien.
In unseren Hausgärten wurden auch Gemüse- und Salatpflanzen sowie Gewürze gezogen. Bohnen, Erbsen, Linsen, Kohl, Kürbis und Möhren kamen in den Kochtopf und wurden zu schmackhaften Eintopfgerichten verarbeitet. Die Hülsenfrüchte gab es das ganze Jahr hindurch, weil sie sehr nahrhaft und getrocknet lange haltbar waren. Gewürzt wurde mit Petersilie, Fenchel, Koriander, Dill und Thymian aus eigenem Anbau. Wilder Majoran und Minze wuchsen in der Nähe unseres Anwesens. Wir sammelten die Kräuter und auch die Blätter des Feldsalats außerhalb des Hofes, wo man sie überall finden konnte. Knoblauch wurde sehr geschätzt. Er gehörte sogar zur Marschverpflegung der Legionäre.
Die römische Küche war sehr abwechslungsreich. Natürlich nur für Leute, die es sich leisten konnten. Der Versuch meines Großvaters, Wein anzubauen, scheiterte kläglich. Der Wein aus den Gebieten um Rhein und Mosel und vor allem aus Italien schmeckte viel, viel besser. Da wir Oliven und Olivenöl sowieso von Händlern auf dem Markt einkaufen mussten, die diese aus Spanien oder Italien mitbrachten, wurde der benötigte Wein gleich mitbesorgt. Diese Einkäufe waren entsprechend teuer. Ganz besonders viel Geld kostete Pfeffer, der aus Indien nach Ober-Germanien kam.
In unserem Keller lagerte ständig eine große Anzahl verschiedener Weinsorten: Obstweine, hergestellt aus Äpfeln, Birnen oder Feigen, und Weine, die mit Kräutern, Veilchen, Minze, Fenchel oder Dill gewürzt waren. Nicht vergessen darf ich ein sehr beliebtes Getränk, den mulsum. Das war eine süße Mischung aus Traubensaft oder Wein, der man ziemlich viel Honig zugesetzt hatte. Der Ackerbau war natürlich mit großen Mühen und viel Arbeit verbunden. Erntemaschinen, wie ihr sie heute kennt, gab es damals noch nicht. Das Korn wurde von Landarbeitern mit Sicheln geschnitten. Dies bedeutete, dass sich die Feldarbeiter stundenlang bücken mussten, um mit der Sichel das Getreide ernten zu können. Damit waren aber die Getreidekörner noch nicht gewonnen. Das Getreide wurden aufgeladen und auf Karren zum Dreschplatz, der sich im Freien befand, gebracht. Dort wurde es gedroschen, damit die Getreidekörner aus den Ähren fielen. Anschließend mussten die Getreidekörner noch von der Spreu, also den Samenschalen, Spelzen, kleinen Stängeln und Grannen, getrennt werden. In der Fachsprache hieß dieser Vorgang worfeln. Der Wind kam dabei zur Hilfe, der die leichten Teile des Getreides wegwehte. Dann erst konnten Stroh und Körner in die Speicher unseres Hofes gebracht werden. Später wurden die Körner in einer Getreidemühle zu Mehl gemahlen. Fleisch- und Fischspeisen gehörten zu jedem römischen Abendessen, der cena, dazu. Da wir Rinder und Schweine als Haustiere hielten, waren wir das ganze Jahr über mit Fleisch versorgt. Die Rinder weideten auf den fetten Wiesen der Wetter, wodurch sie sehr gut gediehen. Sie lieferten uns aber nicht nur das Fleisch und die Milch, sondern wurden auch vor Pflug, Karren und Wagen gespannt. Unsere Verwandten in Rom hatten für den Verzehr von Rindfleisch kein Verständnis. Dass man seinen Pflugochsen aufessen konnte, war ihnen nicht beizubringen. Deshalb wurde in Italien vor allem Schweinefleisch gegessen. Italien war weit entfernt und in der römischen Provinz Germanien hatte man seine eigenen Vorstellungen über Geschmack entwickelt. Wir aßen Rindfleisch genau wie unsere germanischen Nachbarn. Wenn ich wir sage, meine ich vor allem die Soldaten in den Kastellen und die Bewohner der Kastelldörfer, die nicht über viel Geld verfügten. Rindfleisch war nämlich viel billiger als Schweinefleisch. Auf den Höfen, die Schweine hielten, wurde häufiger Schweinefleisch gegessen. Die Schweine konnten in den nahen Wald getrieben werden, wo sie genügend Eicheln und Bucheckern zum Fressen fanden. Sie wurden schön fett, wenn sie mit Getreide, Knollen und Früchten gefüttert wurden. Das kostete Geld. Unsere Schafe und Ziegen waren genügsame Haustiere. Sie brauchten fast keine Pflege, waren gegen Hitze und Kälte abgehärtet und gaben sich mit ein paar Gräsern und mit dornigen Pflanzen zufrieden. Von diesen Tieren bekamen wir nicht nur das Fleisch, sondern wir nutzten auch die Wolle und das Fell. Die Milch von Schaf und Ziege wurde zu Käse verarbeitet, den wir als Reibekäse zu frischem Landbrot oder Fladen aßen. Die Butter wurde als Speise nicht gerne genommen. Das überließen wir dann doch lieber den Germanen. Butter war ein bekanntes Heilmittel, vor allem wenn sie langsam ranzig wurde. Hühner und Gänse, die wir auf unserem Landgut hielten, kamen seltener auf den Speiseplan, obwohl sie schön dick und fett waren - viel dicker und fetter als die der Germanen, die wohl nicht so viel von Zucht und Mast verstanden. Da bei uns niemand gerne auf die Jagd ging, wurde auch auf das Fleisch vom Wild, von Wolf, Fuchs oder Elch weitgehend verzichtet. Das war in Rom wieder ganz anders. Da waren Wildgerichte so beliebt, dass man gar nicht genug Wild erjagen konnte und deshalb extra Gehege anlegte.Viele Wildtiere wie der Braunbär lebten in den dichten Wäldern. In unserer Gegend kamen Wildtieren nicht so häufig vor. Unsere Familie bevorzugte eher einen gekochten oder gebratenen Fisch als Hauptspeise der cena, der aus der nahen Wetter stammte. Das Wasser der Wetter war sauber und klar, sodass es viele Fische gab. Fisch wurde frisch geräuchert, gedörrt oder eingesalzen gegessen. Der Barsch oder Hecht, den wir selbst geangelt hatten, schmeckte natürlich am allerbesten. Wie alle Kinder dieser Welt naschten wir gerne etwas Süßes. Zuckerrohr gab es damals allerdings noch nicht, aber Honig und süßen Saft. Und der Bienenhonig schmeckte soooooooooo gut! Natürlich hatten wir eine eigene Bienenzucht. Sie brachte den begehrten Honig und Bienenwachs. Ich könnte dir noch so viel erzählen über Geräte und Werkzeuge wie Hacken, Spaten, Pflugscharen, Hammer, Beile und Messer, aber die sehen auch nicht viel anders aus als die, die ihr heute benutzt. Dir ist auch nicht aufgefallen, dass wichtige Haustiere fehlen: unsere Hunde und Katzen. Die Katze kam erst mit uns Römern nach Germanien. Sie war als Vertilger von Mäusen und Ratten und somit als Schützer der Getreidevorräte ganz, ganz wichtig. Die Hunde hüteten die Herden und bewachten das Haus. Unsere Katzen und Hunde waren selbstverständlich auch gute Spielkameraden für uns Kinder. Was ich dir erzählt habe, hört sich nach wunderschönem Landleben mit viel Freiheit an, aber das stimmt nicht ganz. Die Früchte der Natur fielen niemandem einfach in den Schoß. Alle Bewohner der villa rustica mussten hart dafür arbeiten. Dabei konnten wir uns eigentlich nicht beklagen. |