Schließlich hängt doch sein ganzes Herz an dieser Stadt mit ihrer gewaltigen Burg. „Aber natürlich, die Burg mit ihrem Burgturm bietet ganz bestimmt genug Platz für wohnungssuchende Fledermäuse. Nichts wie hin!“, fällt es Laura wie Schuppen von den Augen. Überglücklich ändert sie ihre Flugrichtung und kommt erschöpft, aber glücklich am großen Burgturm an. Die kleinen Fenster des Turms sind für Laura wie große Portale, die ihre Türen öffnen. Sie scheinen ihn herzlich willkommen zu heißen.
Dämmrig und dunkel ist es im Inneren des Turmes. Neben der großen Treppe findet sie sofort eine Mauerspalte, die das vollkommene Versteck ist. Kaum hat sich Laura hineingehängt, hört sie schon wieder diese schrecklichen Rufe:
„Hau ab! Verschwinde! Hier hast du nichts zu suchen. Der Burgturm gehört uns. Unsere Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern haben die ganze Burg für uns in Besitz genommen. Das geschah zu einer Zeit, als dieser Turm noch ein Dach hatte und der Turmwächter von hier oben Ausschau nach Feinden hielt. Damals fanden auf dem Burghof große Turniere statt und im Palas des Burgherrn wurden viele Feste gefeiert. Der Burgherr war ein reicher und bedeutender Mann, dem fast alles Land ringsum gehörte. Er diente dem damals mächtigsten Mann des Reiches, dem Kaiser. Der Burgherr war so berühmt, dass er sogar Münzen herstellen durfte. Unser Turm ist auch auf einigen Silbermünzen abgebildet. Aber was quatschen wir eigentlich hier mit dir herum? Mach, dass du wegkommst, oder sollen wir dir Flügel machen?“
Zwei Turmfalken stürzen auf ihn zu, öffnen bereits ihre scharfen Schnäbel, um nach Laura zu greifen. Mit letzter Kraft erhebt sich Laura in die Luft und kann in einem wirklich schnellen Zickzackflug ihren Feinden in letzter Minute entkommen.
„Das kann doch alles gar nicht wahr sein“, flüstert die kleine Fledermaus erschöpft, die nun keinen Rat mehr weiß. Gestern war ihre Fledermauswelt noch in Ordnung. Heute weiß Laura nicht mehr, wohin sie fliegen soll. Die Flügel werden langsam müde, der Flug langsamer. In ihrem Jammer hört Laura, der immer ganz stolz auf ihre guten Ohren gewesen ist, erst spät die feine Stimme, die sie ruft.